m o c . e b o d a . k c o t s – e k h c s e n K t r e b o R : o t o F /24 Perspektiven 02.24 / Recht & Gesetz Arbeitsrecht Urteile aus der Praxis „Krankschreibung“ per Videosprech- stunde oder am Telefon Seit dem 07. Dezember 2023 ist eine tele- fonische Krankschreibung wieder mög- lich, aber nur unter den Bedingungen, dass • die Patienten in der Praxis bereits bekannt sind, • keine schwere Symptomatik vorliegt, • keine Videosprechstunde möglich ist • und die Arbeitsunfähigkeitsbescheini- gung für maximal fünf Kalendertage aus- gestellt wird. Besteht die telefonisch festgestellte Erkran- kung fort, muss für die Folgebescheinigung die Arztpraxis aufgesucht werden. Was gilt für die Videosprechstunde? Ist Bekanntsein als Patient Voraussetzung für eine AU-Bescheinigung? Nein! Die Krankschreibung in der Video- sprechstunde ist seit 2022 bei allen Versi- cherten möglich, wenn die Erkrankung eine Einschätzung per Videosprechstunde zu- lässt; die Einschränkung, dass die Patienten in der Praxis bekannt sein müssen, gilt hier nicht mehr. Allerdings gibt es Unterschiede bei der Dauer der erstmaligen Krankschrei- bung: • Für Versicherte, die in der Arztpraxis un- bekannt sind, soll eine Krankschreibung nur für bis zu drei Kalendertage möglich sein. • Für bekannte Versicherte bleibt es bei bis zu sieben Kalendertagen; danach ist für eine Folgebescheinigung der Arbeitsun- fähigkeit (AU) ein persönlicher Praxisbe- such erforderlich. Können Arbeitnehmer von ihrem Arzt eine AU-Bescheinigung über eine Video- sprechstunde verlangen? Nein, die Entscheidung, ob in bestimmten Fällen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheini- gung in einer Videosprechstunde ausgestellt wird, trifft der Arzt. Können Folgebescheinigungen über eine Videosprechstunde erteilt werden? Folgekrankschreibung über Videosprech- stunde sind nur dann möglich, wenn die vorherige Krankschreibung auf Grundlage einer unmittelbaren persönlichen Untersu- chung ausgestellt wurde. Mein Azubi lässt sich nur noch über Vi- deosprechstunde krankschreiben, immer wieder von anderen Ärzten: Geht das? Ja, Ärzte oder Psychotherapeuten dürfen bis zu 30 Prozent ihrer abzurechnenden Fallzahlen über eine Videosprechstunde erbringen, das heißt, sie können nicht aus- schließlich „Video-Arzt“ sein. Dies erklärt den Videosprechstunden-Arztwechsel. Die Ärzte müssen zur Abwicklung einen Vi- deodienstanbieter auswählen, der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zerti- fiziert ist. Dieser sorgt für einen reibungs- losen und sicheren technischen Ablauf der Videosprechstunde. Hinweis: Natürlich sind die maximalen Krank- schreibezeiten zu beachten; wird ständig ein neuer Arzt per Videosprechstunde auf- gesucht, ist der Patient dort unbekannt und es ist maximal ein AU-Attest für drei Tage möglich. Unwirksame Arbeitsvertragsklausel: Arbeitnehmer muss Provision für (eigene) Personalvermittlung nicht erstatten Eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber eine von ihm für das Zustan- dekommen des Arbeitsvertrags an einen Dritten gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer be- stimmten Frist beendet, ist unwirksam. So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) durch Urteil vom 20. Juni 2023 (- 1 AZR 265/22 -). Fall Die Parteien hatten einen Arbeitsvertrag ge- schlossen, auf dessen Grundlage der Arbeit- nehmer ab Mai 2021 bei der Arbeitgeberin tätig wurde. Zustande gekommen war der Vertrag durch die Vermittlung eines Perso- naldienstleisters. Hierfür zahlte die Arbeit- geberin eine Vermittlungsprovision. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin die ge- zahlte Vermittlungsprovision zu erstatten habe, falls das Arbeitsverhältnis nicht über den 30. Juni 2022 hinaus fortbestehen sollte. Der Kläger beendete jedoch sein Arbeits- verhältnis durch Eigenkündigung bereits zum 30. Juni 2021. Aufgrund der arbeits- vertraglichen Klausel war die Arbeitgeberin der Auffassung, der Arbeitnehmer schul- de ihr „Provisionserstattung“ und behielt dafür einen Teil der Arbeitsvergütung ein. Der Arbeitnehmer klagte auf Zahlung der einbehaltenen Arbeitsvergütung mit der Begründung, die arbeitsvertragliche Erstat- tungsregelung sei unwirksam, weil sie ihn unangemessen benachteilige. Widerklagend verlangte die Arbeitgeberin die Erstattung des gezahlten Provisionsbetrages. Urteilsbegründung Gegen ihr Unterliegen in den ersten beiden arbeitsgerichtlichen Instanzen wandte sich die Arbeitgeberin mit der Revision. Das BAG wies jedoch die Revision der Arbeit- geberin als unbegründet zurück. Die Erstattungsregelung, so das BAG, benachteilige den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unan- gemessen. Die arbeitsvertragliche Klausel sei AGB-rechtlich unwirksam. Der Arbeit- nehmer werde durch sie in seinem durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz garantier- ten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt, ohne dass dies durch ausrei- chend begründete Interessen der Arbeitge- berin gerechtfertigt sei. Der Arbeitgeber habe grundsätzlich das unternehmerische Risiko dafür zu tra- gen, dass eine von ihm getätigte finanzielle Aufwendung für die Personalbeschaffung sich „nicht gelohnt“ habe, weil der Arbeit- nehmer sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beende. Es bestehe kein billigenswertes Interesse der Arbeitgeberin, ihre entsprechenden Kosten auf den Arbeit- nehmer überwälzen zu können. Auch, so das BAG, erhalte der Arbeitnehmer durch die Regelung keinen eigenen Vorteil, der die Beeinträchtigung seiner Arbeitsplatzwahl- freiheit „ausgleichen“ könne. Ansprechpartner RA Hans-Georg Krahl krahl@tischlernord.de Tel.: 0511- 627075-19